Bei dem Wort Standardisierung werden wohl die meisten Berater zunächst die Augen verdrehen. Für viele steht der Begriff als Synonym für die Einschränkung des eigenen Handelns und dem Verlust von Kreativität. Standardisiert zu arbeiten und einem Leitfaden zu folgen verursacht nicht allzu selten eine Abwehrreaktion, da die emotionale Kundenansprache vermeintlich in der einheitlichen Struktur verloren gehen. Es scheint unmöglich auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden einzugehen und diesen von passenden Produkten zu überzeugen. Oder?

Ausflug in die Theorie: Die Struktur einer jeden Kundenberatung

Eine klare Struktur ist für die Effizienz des Berateralltags unerlässlich. Dabei gibt es keine zentralen Unterschiede zwischen den verschiedenen (beratenden) Branchen oder den dabei angebotenen Produkten.
Der Kern des Konstrukts “Beratung” besteht, theoretisch begründet, immer aus drei Komponenten:
Dem Ratsuchenden, dem Ratgeber und einem Problem.

(1.) Der Ratsuchende sucht nach einer Lösung für ein Problem, das er alleine nicht lösen kann. (2.)Daher wendet sich dieser an den Ratgeber, der in unterstützender Funktion, (3.) einen Vorschlag für eine mögliche Problemlösung hervorbringt.

Ob diese Lösung jedoch angenommen wird, entscheidet letztendlich der Ratsuchende eigenverantwortlich. Der Ratgebende kann allerdings, mit der passenden Angebotspräsentation, so überzeugen, dass er indirekt Einfluss auf diese Entscheidung nehmen kann. Übertragen auf die Begrifflichkeiten des Beratungsprozesses ist dieses Überzeugen die Kunst des Verkaufens, der Ratsuchende der Kunde und der Ratgeber der Berater. Die Basis für diesen Prozess bietet das sogenannte Storytelling, die Emotionalisierung der ursprünglich nicht emotionalen Informationen zu einem Angebot durch das Erzählen einer Geschichte. Deren Hauptdarsteller ist das Angebot selbst. Unter Hinzunahme einer Präsentation mit audiovisueller Unterstützung in Form von Bildern und Videos, kann diese dem Kunden verständlich und einfach veranschaulicht werden.

 

Bauen Sie audiovisuelle Elemente in Ihre Präsentation ein um Inhalte verständlicher zu machen.

Der Weg zum Abschluss: Der Beratungsprozess

Im Beratungsprozess zeigt sich diese Struktur innerhalb von 5 Schritten:

  1. Eröffnung
  2. Problemdarstellung
  3. Erörterung des Problems
  4. Lösungsvorschlag
  5. Auflösung

Mit der Eröffnung beginnt das Gespräch und die Abfrage der wichtigsten Punkte. Das heißt, alle W-Fragen sollten direkt beantwortet werden können: Wer braucht, welche Art von Unterstützung, für welches Problem? Dadurch schafft der Berater eine Basis für den Beratungsverlauf. Immer mit dem Ziel, das Problem mit dem eigenen Rat und damit den eigenen Produkten, sowie der eigenen Dienstleistung, zu lösen. Die Eröffnung, wie auch die Darlegung des Problems liegt größtenteils beim Kunden. Selbst, wenn der Berater das Problem im Gespräch mit Bestandskunden direkt anspricht, muss der Kunde dieses erst einmal verstehen, um eine Lösung zu wollen. In den meisten Fällen ist das Problem mit Emotionen behaftet, die der Berater entdecken und in den Beratungsverlauf einarbeiten muss, um den Kunden zu erreichen. Der Beitrag des Beraters liegt daher vorwiegend in der Analyse der Kundensituation und der begleitenden Führung des Kunden durch die Problemerörterung. Dies erfolgt durch die Anregung von interaktiver Zusammenarbeit und einfachen Nachfragen. Mit diesen Ausführungen als Grundlage, steigt der Berater in die eigentliche Beratung ein und nennt seine Lösungsvorschläge durch die Präsentation der eigenen Produkte und Dienstleistungen. Wird der Vorschlag vom Kunden angenommen, folgt die Auflösung durch Annahme des Angebots, wie beispielsweise dem Abschluss eines Vertrages.

 

Die Struktur des Beratungsprozesses zeigt sich in 5 Schritten

Die beschriebene Schrittfolge entwickelt sich entlang einer Spannungskurve, die sich für beide Seiten aufbauen sollte. Der Kunde hofft auf eine passende Lösung bzw. ein passendes Produkt. Wohingegen der Berater einen Abschluss anstrebt. Jeder Schritt bedingt den darauffolgenden, wodurch ein roter Faden des Gesprächs durch dieses Grundgerüst bereits vorgegeben ist.

Zurück zur Praxis: Was hat diese Struktur mit Standardisierung zu tun?

Aus der Theorie heraus ist eine klare Struktur für eine ideale Beratung vorgegeben. Es gilt den Fokus auf den Kunden bereits zu Beginn zu festigen, um diesen emotional anzusprechen und einen Vertragsabschluss zu erreichen. So unemotional die theoretische Basis zunächst auch klingen mag, wirkt sich die zugehörige Struktur vorteilig auf die Beziehung zwischen Berater und Kunden aus.

 

Durch einen strukturierten Beratungsprozess haben Berater den Überblick über alle Daten und der Kunde steht im Fokus

Vorteile für Berater:

  • Überblick über Daten

Nach Abarbeitung der Prozessschritte hat der Berater alle Bestandteile eines Beratungsgesprächs durchgesprochen und erfasst. Keine für eine erfolgreiche Beratung notwendigen Angaben werden dadurch vergessen. Je nachdem welches Thema besprochen werden soll, kann der vorliegende Leitfaden einfach adaptiert und mit passenden Informationen zum Angebot bestückt werden. Der Leitfaden kann entsprechend in verschiedenen Situationen angewendet werden und verschafft dem Berater zudem Erleichterung in der Gesprächsvorbereitung.

 

  • Qualitätsstandard

Ist ein Leitfaden erstellt, kann dieser von Kollegen wiederverwendet werden. Der Leitfaden sorgt in der Folge dafür, dass das Ergebnis aus einer Beratung unabhängig vom Berater reproduzierbar wird. Damit schafft das zugehörige Unternehmen einen Standard und baut sich eine in sich konsistente Qualität auf, welche durch zufriedene Kunden nach außen getragen wird. Darüber hinaus hilft die Struktur einem einzelnen Berater dabei verschiedene Themen in einem einheitlichen Beratungsstil zu präsentieren, der lediglich inhaltlich an den Kunden und dessen Wünsche angepasst werden muss.

 

  • Kunde im Fokus

Durch die angegebene Struktur entsteht ein Leitfaden, der leicht mit individuellen und zum Kunden passenden Inhalten bestückt werden kann. Neben der damit steigenden Wahrscheinlichkeit eines zufriedenen Kunden, nimmt auch das Potenzial für Cross-Selling, dem Verkauf zusätzlicher Produkte bzw. Dienstleistungen, und einer langfristigen Kundenbindung zu. Denn je wohler und besser beraten sich der Kunde fühlt, desto eher hat er Interesse an weiteren Beratungen beim gleichen Berater.

Ein strukturierter Beratungsprozess sorgt für mehr Interaktion und Aufmerksamkeit

Vorteile für Kunden:

  • Interaktion für mehr Aufmerksamkeit

Die Leitfäden lassen es zu die Beratung bereits im Voraus besser planen zu können. Interaktive Bausteine und Fragen können herangezogen werden, um die Aufmerksamkeit des Kunden während des gesamten Gespräches aufrecht zu erhalten. Bereits bei der Planung werden daher entsprechende Module in den Leitfaden platziert, damit der Kunde stetig aktiv mit einbezogen wird. Dabei hat der Berater die Kontrolle darüber wann der Kunde nur zuhört und zu welchem Zeitpunkt er mitmachen kann.

 

  • Transparenz schafft Sicherheit

Durch die klare Struktur kann der Kunde dem Gesprächsverlauf, von der Erörterung bis hin zur Lösung des Problems, mühelos folgen. Auch, ohne spezielles Hintergrundwissen zum besprochenen Thema, birgt die Systematisierung eine schrittweise Problemaufbereitung, die leicht nachvollziehbar ist. Damit sorgen Leitfäden für eine Art Transparenz der Beratung. Aus dieser folgt zugleich das Gefühl des Kunden ehrlich beraten zu werden.

 

  • Glaubwürdigkeit & Vertrauen

Der wohl wichtigste Punkt, den die Standardisierung schafft, ist der Aufbau von Vertrauen. Fühlt der Kunde sich fair beraten und erhält ein individuell passendes Angebot, wächst das Vertrauen in den Berater und dessen Glaubwürdigkeit. Das sorgt wiederum dafür, dass der Kunde eher bei diesem Berater bleibt und die Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Kundenbindung steigt. Institute, wie zum Beispiel DEFINO, das Institut für Finanznorm, setzen sich dafür ein, einen Standard in Beratungsgespräche einzuführen. Daher erhalten Beratungen, die beispielsweise mit der DIN-Norm 77230 geführt werden, auch beim Endkunden viel mehr Vertrauen und Glaubwürdigkeit.

Fazit:

Gemäß der Theorie werden die Emotionen innerhalb einer erfolgreichen Beratung bereits zu Beginn geweckt: durch den Einbezug und die Aktivierung des Kunden. Mit dem Einstieg in die Eröffnung liegt der Fokus bereits auf dem Kunden und dessen Interessen. Unter Hinzunahme von Maßnahmen zur interaktiven Gestaltung der Beratung fühlt sich der Kunde direkt ernst genommen und dessen Aufmerksamkeit ist dem Berater sicher. Einhergehend damit wird eine Kundenbeziehung aufgebaut, indem die Aussagen des Kunden in den Gesprächsverlauf eingebunden und folgende Schritte danach ausgerichtet werden. Erst daraus resultieren die Vorteile einer transparenten Beratung, der Glaubwürdigkeit des Angebots, sowie das Vertrauen in den Berater und im Anschluss in einer langfristigen Kundenbindung. Standardisierung gibt damit den Beratungsverlauf vor und schafft Effizienz, Transparenz sowie einen Qualitätsstandard. Folglich werden mittels Standardisierung die Angebote nicht für jeden Kunden einzeln vorgegeben, sondern individuell aus den Informationen aus dem Gespräch zusammengesetzt. Das ist notwendig, sodass sich der Kunde sicher und wohl beim Berater und schließlich auch mit dem Beratungsergebnis fühlt.
Damit steckt in der Standardisierung mehr Emotionen als Sie zuvor vielleicht gedacht haben.

Neben Standardisierung schafft der Trend zur hybriden Beratung eine Mischung aus persönlicher und online stattfindender Interaktion. Lesen Sie mehr dazu in unserem Beitrag: Multichannel Vertrieb und hybride Beratung.